Die Biodynamikerin - ein Interview mit Umstellerin Dr. Carmen von Nell-Breuning
Die Kunst des Weinbaus hat in der Familie von Nell-Breuning eine über 350-jährige Tradition. In der 11. Generation leitet Dr. Carmen von Nell-Breuning das Dominikaner Weingut im Ruwertal und wendet dabei seit nunmehr drei Jahren die biodynamischen Prinzipien an.
Wer biodynamisch arbeitet wird oft von konventionellen Winzern belächelt. „Das sind doch die, die ihren Namen im Weinberg tanzen können?“. Wie gehst Du damit um?
Meinen Namen kann ich nicht tanzen und beabsichtige auch nicht, das zu tun... Es stimmt sicherlich, dass viele Kollegen darauf schauen, was ich tue. Der eine mag dabei einen kritischen Blick haben und der andere mag dazu lächeln. Generell nehme ich das eher so wahr, dass es ein Interesse gibt, was die Biodynamie ist und wie sie in den Weinbergen wirkt. Anders formuliert: ob das Ganze überhaupt klappt.
Ich denke, wir machen alle unsere Arbeit und jeder geht seinen Weg. In meiner Wahrnehmung respektieren wir Winzer-Kollegen uns untereinander und akzeptieren unsere individuellen Wege in der Arbeit.
Was bedeutet biodynamischer Weinbau für Dich in der praktischen Arbeit?
Ein gutes Stück mehr Arbeit und ein gutes Stück mehr Freude. Biodynamischer Weinbau verändert das tägliche Tun doch sehr.
Die Biodynamie erfordert im Weinberg viele zusätzliche Arbeitsschritte. Wir arbeiten ausschließlich mit natürlichen Mitteln und das erfordert bspw. engere Zeitabstände im Pflanzenschutz. Das ist identisch zum ökologischen Weinanbau. Der „dynamische“ Aspekt in der Bio-Dynamie umfasst zusätzlich die Arbeit mit Präparaten. Das ist per se viel Arbeit aber in der Steillage äußerst anspruchsvoll. Wir bringen die Präparate von Hand aus und laufen den Berg rauf und runter. Das kann man sich in anderen Weinbauregionen mit flachen Weingärten gar nicht vorstellen. Es gibt ja auch praktische Gründe, warum biodynamische Weingüter an der Mosel im Vergleich zu anderen Regionen weniger stark vertreten sind.
Wer biodynamisch arbeitet verändert seine innere Haltung. Die Wahrnehmung wird ganzheitlicher. Ich fühle mich meinen Weinbergen so verbunden wie niemals zuvor. Die Rebe ist für mich keine reine Nutzpflanze mehr, die ich schon immer gut gepflegt habe. Jetzt ist der Weinberg für mich ein lebendiges System, in dem es so viel mehr gibt als meine Weinreben. Wir stehen noch am Anfang einer Entwicklung, aber das ist auch in Ordnung für mich. Die Entwicklung hört niemals auf und deswegen ist man da, wo man gerade ist, sowieso am richtigen Platz.
Welche Rolle spielen dabei bis heute die Lehren von Rudolf Steiner, die ja immerhin fast 100 Jahre zurückliegen?
Rudolf Steiner lese ich sicherlich nicht täglich, aber wenn ich ihn lese, dann tue ich das, wie Goethe zu lesen oder Beethoven zu hören. Es gibt zeitlose Werke. Meiner Meinung nach geht es auch nicht darum, das Geschriebene 1:1 zu übernehmen. Es geht um den Kern, oder anders formuliert, um den Geist dieser Werke. Rudolf Steiner muss in einigen Aspekten sicherlich auch kritisch gesehen werden, aber er war zweifelsfrei ein Genie, auf das wir uns auch (bzw. gerade) heute einlassen können.
Welche Erfahrung hast Du im Umgang mit Präparaten gewonnen, die in der Biodynamie eine wichtige Rolle beim Pflanzenschutz im Weinberg einnehmen?
Die Präparate sind wichtig, um die Reben zu stärken. Weniger, um sie zu schützen. Das ist ein anderer Aspekt: Salutogenese versus Pathogenese. Will ich Gesundheit stärken oder vor Krankheit schützen? Die Biodynamie legt ihr Augenmerk auf Ersteres.
Die Präparate sind für mich ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit geworden. Die Präparate bringen in gewisser Weise die „Dynamik“. Wie wir alle wissen, ist das ganze Leben Bewegung. Es ist gut, diesen Aspekt bewusst in das Tun zu integrieren.
Auch kosmische Kräfte werden beachtet und gelten als Rhythmusgeber, arbeitest du ebenfalls mit der Beachtung der Mondphasen?
Ja, soweit möglich berücksichtigen wir die Mondphasen. Beim Rebschnitt und in der Traubenlese ist das aus praktischen Gründen kaum möglich: hier sind das Wetter und die Verfügbarkeit der Mitarbeiter sicherlich wichtiger als die Mondphasen. In der Präparate-Arbeit und bei punktuellen Tätigkeiten wie bspw. dem Abfüllen der Weine richten wir uns nach den Mondphasen.
Die Biodynamie ist also kein Dogma und fordert eher ein hohes Maß an Intuition und Sensibilität sowie eine intensive Erfahrung und Beobachtung im Weinberg. Wie sehr fordert Dich diese Herangehensweise in der täglichen Arbeit?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Biodynamie ist kein Dogma und sollte nie eins werden. Dogmen sind in „Stein gemeißelt“ aber in der Biodynamie geht es ja genau um das Gegenteil: die „Dynamie“ und die Bewegung. Die Natur lebt von ihrer Relativität. Da ist Alles in Bewegung. Eine gute Wahrnehmung und Intuition helfen, sich auf diese Bewegung einzulassen. Das erfordert natürlich Zeit und Augenmerk. Ich bin jetzt viel häufiger in meinem Weinberg als ich das früher war. Gleichzeitig traue ich im Keller meinen Weinen immer mehr, sich aus ihrer eigenen Kraft zu entwickeln.
Als zusätzliche Helfer sind bei Euch im Kaseler Dominikanerberg auch Shropshire-Schafe über sechs Monate im Einsatz. Wie wichtig ist diese Mithilfe im Weinberg?
Ja, mittlerweile sind es 15 Schafe, denn wir haben im Mai Nachwuchs bekommen. Die Schafe sind für uns eine wirkliche Bereicherung! Auch sie bereiten ziemlich viel Arbeit – mehr als ich erwartet habe – aber sie geben uns unglaublich viel Freude und verändern den Dominikanerberg. Zum einen fressen sie natürlich das Gras, halten die Begrünung unter den Reben kurz und unterstützen die Bodenstruktur. Zum anderen bringen sie wirklich eine gute Energie und ganz viel Leben in den Weinberg. Wenn ich jetzt im Dominikanerberg stehe, dann höre ich das Blöken der Schafe. Sie laufen durch die Zeilen und überall raschelt es. Viele Menschen, vor allem Familien, kommen in den Weinberg und besuchen die Schafe. Mein Weinberg ist jetzt keine Monokulturlandschaft mehr sondern ein Ort voller Leben! Das macht Freude.
Seit drei Jahren arbeitest Du nun nach biodynamischen Prinzipien, hat sich dies auch auf den Geschmack der Weine ausgewirkt?
Das kann ich nicht so ‚absolut‘ behaupten. Zum einen sind drei Jahre nicht lange. Zum anderen ist jeder Jahrgang so individuell, dass es für mich schwierig ist, den geschmacklichen Charakter eines Jahrgangs auf die Biodynamie zurückzuführen. In der Hinsicht nehme ich mir persönlich gerne noch etwas mehr Zeit, um diese Frage zu beantworten. Gerne in drei Jahren nochmals fragen ;-)
Ihr habt Euch außerdem entschlossen dem Demeter-Verband beizutreten. Dadurch wendet ihr noch wesentliche strengere Richtlinien für die Zertifizierung an?
Demeter ist der älteste biodynamische Verband in Deutschland und hat zudem ein internationales Netzwerk. So sind z.B. auch in Frankreich viele renommierte Weingüter Mitglied bei Demeter. Ja, Demeter hat sehr strenge Richtlinien. Wahrscheinlich die strengsten. Ich habe das nicht verglichen. Für mich war es wesentlich, einem Verband beizutreten, der sich ganz klar inhaltlich zur Biodynamie positioniert und hier großartige Arbeit leistet. Zudem war es für mich wichtig, Landwirtschaft und Weinbau zu verbinden und Demeter ist ein Verband für beide: Landwirte und Winzer. Wenn man heute auf einige Weingüter schaut, hat man nicht mehr den Eindruck, dass der Weinbau etwas mit der Landwirtschaft zu tun hat. Aber der Weinbau ist Landwirtschaft und ich bin überzeugt, dass Winzer und Landwirte sehr viel voneinander lernen können. Demeter bietet diese Möglichkeit und das finde ich wichtig.
Eine besondere Lage ist ja Eure Monopol-Lage Kaseler Dominikanerberg, was zeichnet die Weine aus diesem Alleinbesitz aus und was kennzeichnet die Weine aus dem Ruwertal?
Der Kaseler Dominikanerberg ist im Alleinbesitz meiner Familie und ein ganz einzigartiger Berg. Er ist der höchstgelegene Weinberg im Ruwertal und bietet damit – im ohnehin schon kühlen Mikroklima an der Ruwer – ein sehr kühles Klima für unsere Riesling Trauben. Vor 40 oder 30 Jahren war das manchmal ein Problem. Heute ist dieses kühle Klima ein großer Schatz. Im Dominikanerberg bauen wir ausschließlich Riesling Trauben an und finden hierfür ein perfektes Terroir: karger blauer Schieferboden und ein kühles Klima; vor Frost aber sehr gut geschützt.
Die Riesling Weine aus dem Dominikanerberg strahlen vor Mineralität und sind im Charakter sehr klar und leicht. Manchmal muss man sich an diese Leichtigkeit gewöhnen - viele Weine auf dem Markt sind heute dichter und fülliger im Geschmack. Ich persönlich liebe die brilliante, leichte und mineralische Art der Weine aus dem Dominikanerberg. Es sind zudem Weine, die ein enormes Reifungspotential haben. Das bedeutet aber auch, dass sie Zeit brauchen. Viele der Riesling Weine aus dem Dominikanerberg zeigen ihr Gesicht erst nach vier oder fünf Jahren.
Aus dem Dominikanerberg stammen zudem unsere Riesling Sekte. Auch hier ist es die Leichtigkeit und Mineralität, die unseren Sekten große Eleganz und ein Rückgrat verleiht.
Mit dem Kaseler Nies´chen verfügt Euer Weingut über eine Premiumlage mit Weltruf, inwieweit ist dies auch eine Verpflichtung hier in sorgfältiger Handarbeit elegante Riesling-Weißweine zu produzieren?
Sorgfältige Handarbeit und traditionelles Handwerk sind für uns eine tägliche Verpflichtung. Das Kaseler Nies´chen ist eine sehr spannende Lage: tiefgründiger Schieferboden mit einer guten Wasserführung. Die Riesling Weine aus dem Kaseler Nies´chen sind würziger und im Charakter „wärmer“ als die Riesling Weine aus dem Dominikanerberg. Wir arbeiten mit viel Hingabe daran, jeden Weinberg in seiner Einzigartigkeit ins Glas zu bringen.
Unser steilster Weinberg befindet sich auch im Kaseler Nies´chen: 75% Hangneigung. Einzelpfahlerziehung. Eine Terrassen-Mauer mitten im Berg. Das ist anspruchsvoll. Das ist aber zugleich kulturelles Erbe und es ist mir wichtig, dieses Stück Land genauso zu erhalten und zu pflegen.
Im Kaseler Nies´chen bewirtschaftet Ihr auch Spätburgunder Trauben, das hört sich zunächst sehr exotisch an, aus einer „Grand Cru“- Lage einen Rotwein anzubauen?
Man darf nicht vergessen, dass an der Mosel lange Zeit rote Trauben angebaut wurden, bevor die Nationalsozialisten das verboten haben, weil sie glaubten, an die Mosel gehöre nur „weißer Wein“… Aber Du hast recht: wir sind das einzige Weingut, das im Kaseler Nies´chen Spätburgunder anbaut. Der gesamte Weinberg ist ansonsten ausschließlich mit Riesling bestockt.
Meine Eltern haben sich Ende der 1980er Jahre entschieden, ein halbes Hektar Land am Fuß des Berges – mit südlicher Ausrichtung – mit Spätburgunder zu bepflanzen und das war für uns eine sehr gute Entscheidung! Der Boden ist tiefgründig, das Klima warm und die Wasserführung ist optimal. Wir lesen hier jedes Jahr von mittlerweile 30-jährigen Rebstöcken wunderbare Spätburgunder-Trauben und bauen den Wein in fünf verschiedenen Linien aus: inklusive Sekt und Rosé. Für uns ist der Spätburgunder ein wichtiger Bestandteil im Sortiment.
Einen Namen habt Ihr Euch auch als älteste Sekt-Manufaktur im Ruwertal gemacht. Was kennzeichnet Eure Riesling-Sekte nach traditioneller Flaschengärung?
Die Trauben zu unseren Riesling Sekten stammen immer aus dem Dominikanerberg. Die Grundweine sind leicht und sehr mineralisch. Das ist eine wichtige Grundlage für unserer Sekte. Unsere Riesling Sekte lagern vier Jahre auf der Hefe! Dadurch erhalten sie ihr feines Mousseux und einen cremigen Charakter. Wir bieten Riesling Sekt in den Geschmacksrichtungen halbtrocken, brut, extra brut und brut nature an. Jeder Sekt steht für sich und bringt ganz viel Charakter mit sich!
Wie wichtig ist Dir nach der 3-jährigen Umstellungsphase, dann endlich als zertifiziertes biodynamische Weingut offiziell in Erscheinung zu treten?
In der Anfangsphase war mir das gar nicht wichtig. Ich habe sogar überlegt, ob ich überhaupt einen Zertifizierungsprozess anstoßen soll. Mittlerweile ist mir bewusst, dass ein Zertifikat als Gütesiegel schon wichtig ist. In der Kommunikation gegenüber Kunden aber auch als Statement, zu dem, was wir tun und was uns wichtig ist. Insofern freue ich mich nun auf das offizielle Demeter Zertifikat.
Welche Rolle wird der biodynamische Weinbau in Zukunft hier im Anbaugebiet spielen oder was wäre hier Dein Wunsch für die nächsten fünf Jahre?
Ich bin überzeugt, dass biologisches Arbeiten an der Mosel zunehmen wird. Biodynamisch wird immer der kleinere Anteil sein aber sicherlich auch zunehmen. Das Bewusstsein für ökologisches und nachhaltiges Arbeiten wächst. Was mich neben der Frage nach ökologischem Weinbau mindestens genauso umtreibt ist die Frage nach einer Industrialisierung des Weinbaus. Aus meiner Perspektive dürfen wir dieses Thema speziell an der Mosel nicht unterschätzen. Wir sind eine uralte Kulturlandschaft, die sich über Jahrhunderte, ja - über zwei Jahrtausende, in Handarbeit geformt und erhalten hat. Wenn wir glauben, diese Landschaft großflächig mit Maschinen bewirtschaften zu können, wird dies für die Mosel in Zukunft ein Riesen-Thema. Auch deswegen liegt mir die Biodynamie am Herzen: hier hat der Mensch im Kreislauf der Natur seinen Platz und seine Bedeutung. Die Biodynamie lässt sich nicht industrialisieren. Wir sollten das für die Mosel beherzigen.